Geh langsam, wenn du´s eilig hast! – Warum wir unserem inneren Antreiber hin und wieder den Mund verbieten sollten.
Die Urlaubssaison neigt sich dem Ende zu. Die meisten von uns befinden sich schon wieder – vielleicht braun gebrannt oder gut vom Regen gewässert – an ihrem Arbeitsplatz und sehen dem Feierabend, dem Wochenende oder den nächsten Ferien entgegen. Und häufig kommt am ersten Arbeitstag nach dem Urlaub die Frage: „Hast du dich gut erholt?“. Toll, wenn Sie darauf mit „ja“ antworten können. Noch besser, wenn es Ihnen gelingt, diesen Effekt zumindest mit in die nächste Woche zu tragen. Denn nicht selten ist schon wenige Tage später kaum noch etwas vom Holiday-Feeling spürbar und wir finden uns vor einem Berg voll Arbeit und mit rauchendem Kopf wieder.
Aber auch abseits des täglichen Wahnsinns am Arbeitsplatz gibt es allerhand andere Schauplätze im Alltag, welche uns Kraft rauben, Nerven kosten und Zeit in Anspruch nehmen, die wir eigentlich nicht haben. Haushalt, Hobbys, Termine, Verwandtschaft, die lieben Kleinen… Und so eilen wir durch unser Leben – häufig ohne zwischendurch Luft zu holen und wundern uns, dass die Kräfte schwinden. Gerade bereite ich ein Seminar zum Thema „Burnout-Syndrom“ vor und bin dabei immer wieder aufs Neue schockiert, wie die Zahlen der Betroffenen in die Höhe schießen. Und auch im Rahmen meiner Beratungen wird immer wieder deutlich, wie viele Menschen sich bereits auf dem Weg in eine stressbedingte Krankheit befinden. In unserer Gesellschaft beobachte ich diesbezüglich einen sonderbaren Wandel. Einerseits steigt die Zahl der Betroffenen rapide, Warnungen werden ausgesprochen und spezielle Programme zur Rehabilitation entwickelt. Andererseits wachsen die Anforderungen ins Unermessliche und Arbeitnehmer sollen voll verfügbare Allround-Talente sein, welche sich niemals beklagen. Jung genug, um fit, unabhängig und flexibel zu sein. Alt genug, um fundierte Erfahrung zu besitzen und die Phase der Familiengründung hinter sich gelassen zu haben. All das macht Druck, dem immer mehr Menschen zunehmend schlechter standhalten können.
Aber wirklich entscheidend darüber, ob die Kraft langfristig reicht oder nicht, ist nur ein Fakt! Nämlich der, wie wir mit uns selbst umgehen. Denn zuallererst sind WIR verantwortlich für unser Befinden, unsere Gesundheit, unser Glück. Nicht der Vorgesetzte, die Kollegen, die Familie – nein, jeder selbst!
Aber warum fällt es uns so schwer, dieser Verantwortung auch gerecht zu werden? Ausschlagegebend hierfür sind vor allem zwei Aspekte. Zum einen stellt sich die Frage, wie gut wir uns kennen und einschätzen können – wann wir also merken, dass Kraftreserven enden und das K.O. droht. Aber auch, was wir brauchen und was uns gut tut.
Zum anderen steht neben den unvermeidbaren Verpflichtungen des Alltags bei vielen Menschen ein innerer Antreiber mit extrem hohem Anspruch. So erlegen wir uns selbst Regeln, Anforderungen und Verpflichtungen auf, welche wir nicht wirklich brauchen oder wollen. Wir versuchen, alles perfekt zu machen, niemanden zu enttäuschen, immer verfügbar und gut gelaunt zu sein. Wir sind die idealen Freunde, Eltern, Kinder, Nachbarn und natürlich Umzugshelfer. Wir sagen nicht „nein“, gehen über unsere Grenzen und sorgen uns stets um das Wohlergehen der anderen. Es ist uns (zu) wichtig, was das Umfeld über uns denkt.
All das sind tolle Eigenschaften, wenn wir die Kraft dafür ÜBRIG haben. Nehmen wir die Energie jedoch aus dem „Speicher“, welcher eigentlich der Selbstfürsorge vorbehalten sein sollte, dann werden wir krank. Denn wenn es ein Geling-Rezept gibt, welches garantiert, dass wir früher oder später am Rande unser Kräfte stehen, dann ist eine der Haupt-Zutaten ein überzogener, sprich unrealistischer Selbstanspruch – durchgesetzt von einem erbarmungslosen inneren Antreiber, welcher uns glauben lässt, dass wir allen gefallen müssen.
Deshalb: Schalten Sie überall dort, wo es möglich ist, einen Gang zurück und nehmen Sie das scheinbar negative Wort „Egoismus“ zumindest schon mal in Ihren Wortschatz auf. Und wenn Sie mir jetzt antworten möchten, dass es bei Ihnen keine Möglichkeiten gibt, Ansprüche und Belastungen zu reduzieren, dem Antreiber zumindest manchmal das Zepter aus der Hand zu nehmen, dann fragen Sie sich bitte ganz ehrlich, ob alles, was Sie täglich tun, tatsächlich sein muss und was schlimmstenfalls passieren würde, wenn Sie das eine oder andere einfach lassen würden? 😉
Herzlichst Mareike Fährmann